(Foto-Archiv der Bahnhofsmission Bielefeld) |
„Bahnhof
ist eine zentrale Stelle, hier kommen die Menschen zuerst an“ erklärt mir
Josefine Georgi, als ich sie in der Bahnhofsmission Bielefeld besuche. Ein richtiges Büro gibt es nicht,
stattdessen einen kleinem Tisch im Flur, der auch gleichzeitig als
Aufenthaltsbereich für die Mitarbeitenden zu dienen scheint. Denn hier sitzen
wir an der Quelle: Kaffee, Getränke, die bekannten blauen Westen mit dem Logo
der Bahnhofsmission. Bis
2002 noch war die Bahnhofsmission unterirdisch, im Luftschutzbunker unter dem
Bahnhofsplatz. Nach einer Umbauzeit konnte sie 2007 die neuen Räumlichkeiten im
Bahnhofstunnel beziehen. Hier ist es zwar nicht sehr geräumig, die Decken sind
tief und Fenster gibt es auch keine, aber das Team hat es sich gemütlich
gemacht. Ein bisschen Farbe an den Wänden, Pflanzen und helle Lichter lassen
die paar Quadratmeter sehr einladend wirken. Aufgrund der beschränkten Größe
hat sich die Bahnhofsmission Bielefeld dazu entschieden, keinen Tagesaufenthalt
anzubieten. „Wir hatten das am Anfang probiert und hatten da immer wieder Streitigkeiten
und dafür ist es hier einfach zu eng“ erklärt mir Frau Georgi. Der Kontakt zu
den Gästen beschränkt sich daher erst einmal auf den Gästeraum an der
Theke. „Und Menschen, bei denen wir merken, dass sie ein bisschen Gesprächsbedarf
haben, denen etwas auf der Seele liegt, die laden wir ein.“
Seit
August 2016 ist Josefine Georgi bei der Bahnhofsmission tätig. Bevor sie über
Umwege dort gelandet ist, hat sie in einem Wohnheim für psychisch kranke
Menschen gearbeitet. Ihr Interesse an den Geschichten der Menschen und die
Freude an der Arbeit mit Erwachsenen kommen ihr in beiden Arbeitsfeldern zu
Gute. Ihre Aufgabe in der Bahnhofsmission ist die Koordination des Ehrenamts-Teams. Den
35 ehrenamtlichen Mitarbeitenden, die in einem Schichtdienst von sechs-Stunden-Schichten
arbeiten, soll es an nichts fehlen. Wenn Material benötigt wird, kümmert sich
Frau Georgi darum, dass es da ist. Wenn die Ehrenamtlichen mal nicht wissen, an wen sie Gäste
vermitteln können, wenn es um spezifische Fragen geht, bereitet Frau Georgi ihr
Fachwissen so auf, dass es verständlich zugänglich ist. Die Arbeit der
Ehrenamtlichen ist für sie der Schlüssel zum Erfolg der Bahnhofsmission.
„Das hat für unsere Gäste nochmal eine ganz andere Qualität. Und zwar treffen
sie nicht auf die Sozialarbeiter, die eine gewisse Fachlichkeit mitbringen, professionell
mit deren Problemen umgehen und auch gleich weiterführende Fragen stellen.
Sondern einfach auf Ehrenamtliche, die einfach nur aus Engagement hier sind,
aus Herzblut und ihre eigene Persönlichkeit mitbringen. Und manchmal braucht
man – das kennen wir alle – einfach jemanden, der mitfühlt.“
Aus dem sozialen Hilfenetz kaum wegzudenken
„Bahnhofsmission
hat eine interessante Schnittstelle, letztendlich können wir uns mit der
gesamten Hilfelandschaft in Bielefeld ganz gut verknüpfen. Wir fragen ‚Was ist dein Problem? Was
ist dein Bedarf?‘, kanalisieren das und gucken dann ‚Dafür gibt es diese
Beratungsstelle für dich in Bielefeld.‘“ Dazu arbeitet die Bahnhofsmission eng
mit dem Sozialdienst Bethel zusammen. Dort gibt es verschiedene Angebote, vom
niedrigschwelligen Beratungsangebot bis zum hochschwelligen stationären Wohnangebot.
Weitere Kooperationspartner sind Beratungsstellen für Männer und Frauen, der
Tagesaufenthalt Kava, Streetwork, Streetmed, die ambulante Suchthilfe und die Angebote der Träger Diakonie für Bielefeld und dem Caritasverband Bielefeld. Die niedrigschwellige Art der Beratung empfindet Frau Georgi als äußerst wertvoll. „Es
erreicht mehr Menschen – oder anders: Es erreicht die Menschen, die es sonst nicht
schaffen würden, Angebote in einer hochschwelligen Struktur wahrzunehmen.“
Die
Hauptthemen, mit denen die Bahnhofsmission zu tun hat, sind Wohnungslosigkeit,
Straffälligkeit, Suchtproblematiken und Armut. Auf einer niedrigschwelligen
Ebene werden ganz alltägliche Fragen zusammen bearbeitet: ‚Wie finanziere ich
dieses?‘, ‚Ich habe diese Rechnung offen‘ ‚Wie komme ich über den Monat? „Das
Alltagsgeschäft ist wahrscheinlich das Thema um Wohnungslosigkeit herum.“ Dennoch
kann Frau Georgi nicht sagen, dass es in der Bahnhofsmission ausschließlich um
Wohnungslosigkeit geht: „Es ist sehr divers. Nicht alle Menschen bei uns sind
automatisch wohnungslos, aber häufig von Wohnungslosigkeit bedrot.“ Zusätzlich
zu diesem niedrigschwelligen Beratungsangebot bietet die Bahnhofsmission
Reisehilfen an. Diese machen zwar einen geringen Teil der Arbeit aus, doch die
Nachfrage steigt derzeit an. „Wir unterscheiden zwischen Reisenden und Besuchern.
Besucher sind die, die zu uns kommen, die meistens ein Butterbrot wollen, die
einen anderen Bedarf haben, eine Weitervermittlung wollen, einen
Gesprächsbedarf haben. Und Reisende sind wirklich die, die auf einer Reise
sind, die wir konkret bei der Reise unterstützen.“
Normalerweise
geht es um den Pott Kaffe bei der Bahnhofsmission. Der kann hier so nicht
angeboten werden, daher gibt es das Butterbrot. „Wir merken, dass das Butterbrot
wichtig ist, aber nicht das wichtigste. Die Leute brauchen einen Grund. Das Butterbrot ist
ein Aufhänger zu kommen. Wenn ich mir eine Salamistulle erbitte, dann kann
ich parallel auch mal dalassen, was mir gerade so passiert ist. Und dann wird
mich ein Ehrenamtlicher fragen: ‚Ach Mensch, was ist denn los?‘ Und dann kann
ich erzählen.“ „Ich würde sagen, wenn wir nur ein reines Essensangebot hätten, dann stellen
wir einen Automaten dahin, man kann einen Knopf drücken – super. Aber darum
geht es nicht. Es geht um den menschlichen, persönlichen Kontakt. Darum, gehört
zu werden, wahrgenommen zu werden.“
Spendenfinanzierung – Fluch oder Segen?
Die
Bahnhofsmission hat einen Vertrag mit der Stadt Bielefeld, der etwa 10 % der
Kosten abdeckt. Die restlichen 90 % muss sie selbst stemmen. Das geschieht
durch Spenden, allerdings ist es kein Geheimnis, dass die 90 % nie vollkommen
erreicht sind. Daher sind die Träger Diakonie und Caritas gezwungen, selbst
viele finanzielle Mittel in die Bahnhofsmission zu stecken, um sie sich langfristig
leisten zu können. „Die Krux an der Sache ist: Wir sind sehr flexibel, wir
können spontan agieren. Aber das können wir nur, weil wir spendenfinanziert
sind. Hätten wir einen Kostenträger, müssten wir anders agieren, wir hätten aber
eine gesicherte Finanzierung.“ Um mehr auf sich aufmerksam zu machen, wäre ein
Auftritt auf den sozialen Medien hilfreich. Die Bahnhofsmission Münster macht
es auf Facebook und Instagram vor, kann z.B. nach direkten Sachspenden wie
frischer Marmelade bitten. In Bielefeld ist das gar nicht so schnell gemacht: „Man braucht auch eine Infrastruktur, die Seiten müssen gepflegt werden und auch die rechtliche Seite ist teilweise heikel und muss von Trägerseite aus geklärt werden.“ Bis sich da etwas tut ist Frau Georgi sehr
interessiert daran, die Presse an Events teilhaben zu lassen, für
Zeitungsartikel und Radiobeiträge zur Verfügung zu stehen und sich – zu meinem
Glück – auf Interviews für Studentenblogs einzulassen.
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